Die vom «digitalen Mob» verfolgten älteren
Medien feiern sich selber. Mit bewährten
Handgelenk-mal-Pi-Methoden honoriert das «Team
Medienqualität Schweiz» – allesamt ganz kluge und
bewährte WissenschafterInnen, Forscher und
JournalistInnen – die Sendung «Echo der Zeit» von
SRF, die NZZ, knapp gefolgt von «Tages-
Anzeiger» und «SonntagsZeitung» im
«Qualitätsrating».
Für den Klein Report kommentiert Medienexpertin
Dr. Regula Stämpfli.
Ratings stammen aus der postindustriellen
Finanzdienstleistungswirtschaft. Ratingagenturen
sind gewinnorientierte, private Unternehmen, die
die Kreditwürdigkeit von Finanzinstituten
bewerten. Alle Ratingagenturen stehen spätestens
seit der Finanzkrise von 2008 in schärfster Kritik.
Keine Ratingagentur hat die katastrophalen Folgen
losgelöster Arithmetik an den Finanzmärkten
vorausgesehen. Nach US-Verfassungsgericht
präsentieren Ratings lediglich Meinungen und keine
statistisch nachvollziehbaren Fakten.
Ratings sind also Herrschaftsinstrumente einer
Elite, die sich selber auszeichnet und bewertet
zwecks Ausschaltung konkurrierender Systeme.
Ratings werden spätestens in zehn Jahren als
Hofnarreninszenierung spätkapitalistischer
Herrschaft entlarvt werden. Leider sind wir aber im
Jahr 2016 noch nicht so weit, und die meisten
Ratings werden von den unterschiedlichen
Branchen noch ernst genommen.
Etwas absurd ist aber die unkritische,
massenmediale Verbreitung des schweizerischen
Medienqualitätsratings. Da bewerten herausragende
ehemalige, gegenwärtige und durch Auftragsstudien
mit der SRG, mit NZZ und Tamedia eng
verflochtene Personen die Medienqualität der
Schweiz und kommen zum Ergebnis: Die SRG
gewinnt mit «Echo der Zeit» unter den
Informationsmedien, die NZZ brilliert unter den
Zeitungen, knapp gefolgt von Tagi und
«SonntagsZeitung». Beim Boulevard gewinnt «20
Minuten», auch ein Tamedia-Kind. Vor allem
letzteres Urteil ist unverständlich, wenn man die
hohe Qualität von «Blick» und «Blick am Abend»
Mittwoch 20 09 2016
in Betracht zieht. Vor allem die politische
Berichterstattung von «Blick am Abend» überragt
dienenige von «20 Minuten» meterhoch. (Stämpfli ist
Kolumnistin bei «Blick am Abend», was ihr hohes
Qualitätsrating für die politische Berichterstattung der
Gratiszeitung rechtfertigt – Ironiedetektor einschalten,
aber nur ein bisschen, OK?)
Scherz beiseite - das Medienqualitätsrating leidet unter
zwei Grundsatzfehlern: Erstens gibt es zu viele
Interessenverbindungen zwischen Beurteilenden und
beurteilten Medien, zweitens verpasst ein derartiges
Rating die Chance, wirklich etwas über Qualität in
Zeiten des Medienwandels auszusagen. Das
Medienrating erinntert an alte Götzen in neuen
Realitäten.
Deshalb: Die von Novartis International AG, von ABB
Asea Brown Boveri Ltd, von Amag, von Credit Suisse
Foundation, von der Ernst Göhner Stiftung, von
Denner AG, von Mobiliar, von MedienVielfalt, von
Swiss Life AG und Swiss Re AG gesponserte
«Medienqualitätssicherung» böte Anlass, über
Kritikfähigkeit, Urteilskraft und Medienqualität von
Medienratings, Medienstiftungen, Medieninstituten
und deren Zukunftsfähigkeit nachzudenken.
Medienqualität könnte nämlich heissen, das zu fragen,
worauf es schon längst digitale Qualitätsantworten
gibt, und weiterzufragen, wenn die Holzmedien (so
werden in der elektrifizierten Welt die klassischen
Zeitungen, Zeitschriften und öffentlichen Medien
genannt) keine Antwort mehr wissen. Und den
Unterschied zwischen den beiden zu erkennen.
@laStaempfli
Regula Stämpfli:
Alte Götzen in der digitalen Realität:
Medien-Rating
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QR-Code zur Qualitätssicherung in Medien?