Arosa Humor-Festival und SRF: Sendung raus,
Deal gerettet
Im Vorfeld der Wahlen 2015 wirft das Schweizer
Fernsehen (SRF) mehrere politische Sendungen mit
kritischem SVP-Gehalt aus dem Programm und
erntete dafür Spott, Häme und Kritik. Die Wahlen
gewann, wie ständig prophezeit, die SVP, übrigens
nicht zuletzt dank ständiger SVP-Thematisierung
durch SRF (Stichwort Demoskopie).
Zum Jahresauftakt nun ein neuer Zensurvorwurf: Der
Deutsch-Türke Serdar Somuncu soll wegen Blocher-
Beschimpfung und Nazivergleichen aus dem
Programm zum Arosa-Humorfestival gekippt worden
sein. Hat SRF wieder vor der SVP gekuscht oder nur
einen Beitrag redaktionell gekürzt?
Für den Klein Report kommentiert Medienexpertin
Dr. Regula Stämpfli. Serdar Somuncu ist in
Deutschland sehr beliebt. Kein Wunder wurde er
zum Arosa Humor-Festival eingeladen. Sein Stand-
up, das von SRF gestrichen wurde, klang laut
Facebook ungefähr so: «Die schlechte Nachricht ist:
Ich bin Türke. Die Gute ist: Ich glaube nicht an Gott.
Der Laden ist also sicher. Noch! Ehrlich gesagt, ich
bin wirklich froh, hier sein zu dürfen. Denn ich bin
auf der Flucht. Nicht aus Syrien. Sondern von
Deutschland in die Schweiz. Die Deutschen sind mir
zu weich geworden. Die sind mittlerweile sogar
freundlich zu Flüchtlingen. Da lobe ich mir die
Schweizer. Sie sind wenigstens aufrichtige Nazis.
Wenn Ihnen was nicht passt: Ausschaffungsinitiative
und Zack sind die Ausländer wieder raus. Gegen
Ihren Christoph Arschblocher ist der Höcke von der
AfD ein blutiger Anfänger.»
Ein derartiger Auftritt ist weder besonders prickelnd,
noch ist es automatisch Zensur, wenn er nicht
ausgetrahlt wird. Andererseits entlasten die Vorfälle
in Vergangenheit, wie das verschobene Gespräch von
Stefan Zweifel mit Robert Menasse und die neu
terminierte Dokumentation zu SP-Nationalrätin
Jacqueline Badran, SRF nicht wirklich.
Deshalb glauben viele in der Causa Somuncu der
offiziellen Erklärung «redaktionelle Auswahl» von
SRF eben nicht. Offensichtlich ist: Seit der
Einführung der Mediensteuer ist die Politisierung der
gesamten SRG inklusive Kritik öffentlich-rechtlicher
Medienalltag geworden. Wir werden auch in Zukunft
Donnerstag 7.1.2016
viel von «Zensur» zu hören bekommen:
Skandalisierung verkauft sich immer gut.
Weshalb die SRG-Leitung indessen bei jeder
Zensurstory so nervös reagiert, wirft neue Fragen auf.
Weshalb so defensiv? Schliesslich ist die Mediensteuer
eingeführt, die Chefgehälter so obszön wie immer, das
Sparprogramm auf dem Rücken der Redaktionen und
Techniker durchgezogen. Also was soll das wehleidige
Getue der SRG-Spitze?
Es geht eben um etwas ganz anderes. Die Arosa-
Humorposse ist nur Beigemüse in der heftigen
politischen Auseinandersetzung um öffentlich und
privat. In Zeiten ökonomischer Grausamkeit ist das
Modell Grundversorgung, Mediensteuer und
Wettbewerb verfassungsrechtlich und redaktionell
mehr als wackelig. Also ist zu vermuten, dass die
SRG-Oberen im vorauseilenden Gehorsam jede andere
Reibungsfläche vermeiden wollen, sprich: Politisch
brisante Sendungen werden aus dem Programm
gekippt, damit alles andere, was schief läuft, nicht zur
Sprache kommt.
Beispielsweise der umstrittene Deal zwischen SRG,
Swisscom und Ringier. Da liegt der Hund begraben
und nicht in einem kleinen Arschblocher-Witz, den
nun niemanden wirklich stört, wohl am wenigsten
auch Christoph Blocher selbst, der schon ganz anderes
kommentarlos eingesteckt hat. Es geht ums Agenda-
Setting: Macht hat, wer die wirklich relevanten Fragen
zu verhindern weiss. Damit auch morgen noch über
Zensur geschrieben werden kann, während eine
halbstaatliche-halbprivate Datenkrake (Stichwort
Swisscom-Deal) unbehindert alles kontrollieren kann.
@laStaempfli
Veröffentlicht im
© Georg Boscher