Regula Stämpfli: Promoten Medien
Kinderpornografie?
Der britische Privatsender ITV brachte am 16.
Februar einen Beitrag über drei Mädchen zwischen
8 und 11 Jahren, die an einer Stripstange ihre
tänzerischen Fähigkeiten unter Beweis stellten.
Twitter lief heiss, Ringier nahm das Thema auf. Die
Diskussion angelte sich entlang den Argumenten
«nur Gymnastik» und «Kinderpornografie.» Was
soll das? Die Sexualisierung des weiblichen Körpers
von 0 bis... bringt Klicks, manchmal sogar
spannende Diskussionen, aber Zero
Erkenntnisfortschritt.
Für den Klein Report kommentiert Dr. Regula
Stämpfli, Autorin mehrerer Schriften, die sich
wissenschaftlich mit Biopolitik & Medien befassen,
die Zurschaustellung von Kindern in den Medien.
Die Medienexpertin nimmt sich der Frage an, ob
Medien Kinderpornografie promoten.
Rosa Babies, Barbie, Nutten- und Medienwirtschaft
gehen seit Jahrzehnten Hand in Hand – und die
Medien reagieren immer so als hätten sie nie lesen
und schreiben gelernt. Der rosa Plüsch, der Kinder
nach Geschlecht nur deshalb so einordnet, da sich
mit ausdifferenzierten Werbegruppen viel Geld
«verdienen» lässt, führt direkt zum Strassenstrich
und zur Lobhudelei desselben. Der grosse
Gleichmacher Kapitalismus löscht eben alle
Unterscheidungen aus.
Kinder sind im Werbekontext Warenkörper, die es so
gut als möglich zu vermarkten gilt. Die Unterschicht
besitzt mit Kindern meist das einzige «Produkt» und
damit den einzigen «Marketingwert» in der
Gesellschaft der «Ich-AGs». So ist es verständlich,
dass in den USA und in Grossbritannien, den
hochkapitalisierten Ländern mit einer riesigen
Donnerstag 24.2.2016
Unter-Unterschicht, die von den Medien despektierlich
auch «white trash» genannt wird, die Inszenierung von
Kinderstrip, Kinder-Miss-Wahlen, Kinder-Make Up
etc. gang und gäbe ist, da sich damit im
«Unterschichtsfernsehen» sehr viel Geld machen lässt.
Fünfjährige werden in «Toddlers&Tiaras» derart
hypersexualisiert inszeniert, dass die Sendung ohne
grosse Schwierigkeiten den Straftatbestand der
Pädophilie erfüllen würde...doch die Quote stimmt.
Dies ausgerechnet in den USA und in Grossbritannien,
in einem Land, das Nacktheit verpönt und das Baden
des Vaters mit der eigenen kleinen Tochter gerne und
schnell unter den Generalverdacht des sexuellen
Missbrauchs stellt.
Was wäre die Aufgabe von Qualitätsmedien und
seriöser Berichterstattung? Statt so zu tun als ginge es
um «Pro-Stange» oder «Contra-Stange», müsste man
endlich auf die gesellschaftliche Macht und die
kulturellen Techniken, die sich in Menschen
manifestieren, hinweisen. Einfacher gesagt: Es geht
nicht um die Frage, ob etwas «gut» oder «schlecht»
sei, sondern um die Analyse der Wirkung, die da
lautet: Medien bewerben Kinder ähnlich wie andere
Informationswaren, die viele Klicks, wichtige
Werbegelder und hohe Aufmerksamkeit garantieren.
Auch bei Kindern gilt: «sex sells.»
Erst wenn dies begriffen wird, finden Mediendebatten
statt. Denn nicht die Frage, ob Fünfjährige strippen,
«ficken» an der Stange simulieren oder Adult sex vor
der Kamera nachahmen sollten, ist entscheidend
(obwohl: natürlich sollten Kinder dies nicht tun
müssen, ebenso wenig wie sie in Kupferminen arbeiten
sollten, doch jede Gesellschaft «braucht» ihre Kinder,
wie und wo sie sie «braucht»...), sondern weshalb sie
medial so gut promoted werden können (sowohl in der
Ablehnung als auch in der Verteidigung). In dieser
Frage steckt medienpolitischer Sprengstoff oder mit
Goethe: «des Pudels Kern.»
@laStaempfli
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