Regula Stämpfli SRG
Swissness auf hölzernen Medienfüssen
Am Sonntag ging Roger de Weck im
«SonntagsBlick» in die Offensive. Der unheiligen
Allianz von SRG, Swisscom und Ringier gibt er
gleich selber den Gütestempel. Wie weit ist die
Schweiz noch von einem Staatsfernsehen entfernt?
Für den Klein Report kommentiert Medienexpertin
Dr. Regula Stämpfli das aktuelle Geschehen.
«Goethes 'Faust' ist für mich in diesen Tagen
der Kerl, der an seiner inneren Leere
erstickt und deshalb auf die
Gierversprechen eines des
Werbespeaks mächtigen Mephisto
hereinfällt. Ersetzen Sie 'Faust'
mit 'Schweizer' oder
'Schweizerin» und Mephisto mit
Swisscom oder SRG, dann
kommen wir dem Thema von
heute schon etwas näher.
Nie in meinem Leben hätte ich
gedacht, dass ich mein Wissen über
internationale Geheimdienste einmal
eins zu eins auf die SRG übersetzen
müsste. Nochmals von vorn: Der Staat
finanziert eine milliardenschwere Datenkrake
namens Swisscom. Diese verbindet sich mit dem
milliardenstarken Staatsunternehmen SRG und dem
privatwirtschaftlichen Verlag Ringier. Soweit so
schlecht.
Jetzt soll das Datenmonopol für Werbung auch auf
andere Verlage ausgedehnt werden. «In härteren
Zeiten und im globalisierten Wettbewerb sollten die
Schweizer Medien einander stärken», meint Roger
de Weck im Interview mit «Blick» (der übrigens den
Kooperationspartner des eigenen Medienhauses sehr
kritisch befragt, was hier für die journalistische
Qualität des vielgescholtenen Boulevards spricht).
Mittwoch 13.1.2016
Roger de Weck will also den Schweizer Werbekuchen
für Schweizer Verlage gegen den internationalen
Wettbewerb verteidigen. Interessant. Vor allem weil in
seinem Hause viele grössere Aufträge international
vergeben werden, nicht zuletzt, um kostengünstiger zu
produzieren. Nicht nur das. Roger de Weck will mit
seinem Angebot das Gemeinschaftsunternehmen mit
einem Umsatz von rund 600 Mio. Franken für die
Vermarktung von Inhalten öffnen. Dies weil die
Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) den
Swisscom-SRG-Ringier-Deal vollumfänglich
abgesegnet hat.
Staatsrechtlich bewegt sich die Swissness-
Legitimation auf hölzernen Füssen. Wenn
einige Medienunternehmen happige
Jahresbeiträge kassieren, um öffentliche
Dienstleistungen zu garantieren,
andere wiederum auf eigene Beine
gestellt sind im Kampf gegen
Google, Facebook, Amazon und
Wikipedia, kann man keine
gleichberechtigte Kooperationen
eingehen. Es braucht dringend eine
Diskussion um öffentliche und private
Gelder, um Daten, Kabelzugang und
Verwaltung. Deshalb plädiere ich schon
seit einiger Zeit dafür, erstens eine Verfassung
für die Datenbürger und Datenbürgerinnen in
Angriff zu nehmen («Keine Daten ohne Stimmrecht»)
und zweitens ist es höchste Zeit, punkto Mediensteuer
über das bedingungslos garantierte Grundeinkommen
respektive eine bedingungslose Medien-Netz-
Grundversorgung nachzudenken.
Denn eines ist klar: Es geht nicht an, den seit der
Bankenkrise herrschenden Staatskapitalismus zu einer
Mediendemokratur auszuweiten. Nur so nebenbei:
Wem dies überzeichnet erscheint, sollte einen Blick
nach Polen wagen. Dort legitimiert die neue Regierung
ihre «Medienreformen» damit, dass «Medien
nationalen Interessen zu dienen hätten». Klingt gar
nicht so anders als das, was Roger de Weck im
Interview mit «Blick» geäussert hat. Deshalb:
Kritische Distanz zu staatlicher Medienpolitik ist nicht
nur in Polen, sondern auch hierzulande angebracht.»
@laStaempfli
Veröffentlicht im
© Georg Boscher