Jede Zeit hat ihre Medien, jedes Medium seine
entsprechende Politik. Wer heute eine Revolution
von oben oder unten, einen Putsch, einen getürkten
Wahlkampf unter anderem betreibt, tut dies per
iPhone und Gewalt. Jüngstes Beispiel: Der türkische
Militärputsch und Erdogans Machtergreifung.
Für den Klein Report kommentiert Dr. Regula
Stämpfli: Vor über einer Woche putschten die
Militärs in der Türkei und agierten nach alter
Manier: Brücken und Staatssender besetzen.
Was den Militärputschisten offensichtlich und höchst
erstaunlicherweise entging: Alle Online-Dienste
blieben... eben online. So kommunizierte der
amtierende Staatschef Erdogan, gegen den sich der
Putsch richtete, nach wie vor direkt mit der
Bevölkerung. Seine Massen-SMS mit Aufruf zum
zivilen Widerstand, inklusive skuriles iPhone-
Interview, zeigten Wirkung: Der Putsch wurde zuerst
kommunikativ, dann politisch und polizeilich
vereitelt.
Erdogan geholfen haben dabei vor allem auch die
erdogankritischen Kräfte, die in der Türkei in den
sozialen Netzwerken äusserst aktiv sind. Nach der
Niederschlagung des Putsches agierte Erdogan, als
ob er schon vor dem Putsch das Drehbuch «Die
Machtergreifung» von Adolf Hitler aus dem Jahr
1933 studiert hätte. Innert Stunden setzte Erdogan
die türkischen Ermächtigungsgesetze durch. Er
Montag 25 07 2016
verhaftete Gewerkschafterinnen,
Universitätsprofessoren, Journalisten, schloss
Gymnasien, Schulen und erlegte für alle
Akademikerinnen der Türkei ein Ausreiseverbot.
Amnesty International berichtet von Folter und
unglaublichen Lagerzuständen in türkischen
Gefängnissen.
In den sozialen Medien knirscht es zwar noch, doch
die Drohung, via Facebook, Twitter, Instagram, Google
Plus et cetera wegen einer kritischen Botschaft bei
einer Türkeireise in den Foltergefängnissen zu landen
oder Familienmitglieder dorthin zu schicken, wirkt.
Holzmediendemokratie war gestern, iPhone-Diktatur
heute.
@laStaempfli
Regula Stämpfli:
Erdogans Machtergreifung: Diktatur per iPhone
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