Der Rechtsstaat war ausser Dienst. Anfang dieses
Jahres entschieden die deutschen Behörden, die
Untersuchungen zum Unglück der Loveparade im
Jahr 2010 einzustellen. Es gab keinen Prozess, da
die Anklagepunkte nicht als ausreichend angesehen
respektive als «fehlerhaft» eingestuft wurden.
Für den Klein Report kommentiert Medienexpertin
Dr. Regula Stämpfli die neuste Entwicklung der
Aufklärung des Unglücks an der Loveparade 2010
in Duisburg.
Die Staatsanwaltschaft rekurrierte gegen diesen
Entscheid nun mit neuen Gutachten. Damit sollte
die Aufklärung des Sachverhalts des schrecklichen
Unglücks bei der Loveparade doch noch möglich
werden. Das erste Gutachten wurde vom
Landgericht Duisburg abgelehnt mit der
Begründung, das Gutachten sei «wegen erheblicher
Verstösse des Gutachters gegen die Grundpflichten
eines Sachverständigens» nicht verwertbar.
Endlich wird eine Aufklärung der Umstände
vorangetrieben. Duisburg war ein unglaublicher
Fall. Da sterben bei der Loveparade im Jahr 2010 21
Menschen bei einem tödlichen Gedränge. Nach
sechs Jahren hielt dann das Landgericht Duisburg
fest: Niemand könne dafür zur Rechenschaft
gezogen werden. Dies, weil der Gutachter und
dessen Schrift als fehlerhaft und ungenügend
kritisiert wurde. Die Staatsanwaltschaft hätte einen
Gutachter beauftragt, der die Richtlinien des
Sachverständigen verletzt habe.
Nachdem bekannt wurde, dass Duisburg die
Loveparade nicht untersuchen wollte, startete eine
Mutter, die ihr einziges Kind an der Veranstaltung
verloren hatte, im Internet eine Petition an das
Oberlandgericht Düsseldorf, sammelte innerhalb
weniger Wochen mehr als 300 000 Unterschriften.
Mit einem neuen Gutachten soll nun der
Staatsanwaltschaft Duisburg doch noch ein
Verfahren gegen sechs Beschäftigte der Stadt und
vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent möglich
werden. Die Entscheidung des Oberlandgericht
Dienstag 05.07.2016
Düsseldorf wird aber noch einige Monate dauern, doch
immerhin: Die Staatsanwaltschaft will wenigstens
wiederum ein Verfahren.
Der Entscheid, doch eine Aufklärung des Sachverhalts
der Loveparade-Katastrophe zu ermöglichen, ist enorm
wichtig und setzt den deutschen Rechtsstaat wieder in
den Dienst. Ganz normale Menschen müssen in
Deutschland täglich Formulare ausfüllen,
termingerecht abgeben, ohne Fehl und Tadel an die
richtige Stelle überweisen, verlängern, verändern,
einzahlen und wehe, es passiert ein Fehler: Dann
drohen sofort Strafen.
Doch wenn Menschen aufgrund technischer Mängel,
gravierenden Fehleinschätzungen der Behörden,
kurzfristigen ökonomischen Überlegungen und
Strategien getötet werden, sollte dieser schreckliche
Vorfall nicht untersucht werden? Niemand konnte zur
Verantwortung gezogen werden, weil ein Gutachten
falsch war? Dabei genügt ein Blick vor Ort aufs
Gelände und es schreit von allen Seiten: «Hier steht
eine Todesfalle.» Nicht nur die Betroffenen warten auf
eine juristische Aufklärung zum Unglück, sondern die
ganze Republik, die nicht zusehen will, wie eine
bürokratische Herrschaft des Niemands jede
Verantwortung von sich weist.
@laStaempfli
Regula Stämpfli: Loveparade:
Staatsanwaltschaft Duisburg mit neuen Gutachten
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